Smart City wird konkret - Strassenbeleuchtung als Schlüssel zur digitalen Vernetzung

 

Fachartikel ET Licht, Frank Koster und Marco Hüppin (ELEKTRON AG)

Die digitale Vernetzung der öffentlichen Beleuchtung schreitet in enormem Tempo voran. Dank multifunktionalen Lichtmasten und Leuchten mit offenen Schnittstellen entwickelt sich die Strassenbeleuchtung zunehmend zu einer Schlüssel-Infrastruktur für neue Smart City-Applikationen.

Neben der ursprünglichen Aufgabe, Licht zu spenden, können moderne Strassenleuchten künftig mit unterschiedlichsten Sensoren ausgestattet werden. Die dadurch ermittelten Daten werden auf übergeordneten Smart City-Plattformen verarbeitet. Dort werden anwendungsübergreifend Informationen konsolidiert und daraus neue Anwendungen ermöglicht. Die Grundlage dafür kann bereits heute beider Sanierung auf LED geschaffen werden.

Licht findet sich überall dort, wo auch Menschen sind. Die Strassenbeleuchtung liegt wie ein flächendeckendes, besonders feinmaschiges Netz über Städten und Gemeinden. Neben der Verästelung vom Zentrum bis in die Quartiere bringen Leuchten weitere ideale Voraussetzungen mit, um als Trägerelement für Smart City-Anwendungen eingesetzt zu werden. Am Lichtpunkt ist bereits ein Stromanschluss vorhanden und moderne Leuchten verfügen über eine Kommunikations-Anbindung an ein Lichtmanagementsystem. Zudem haben Strassenleuchten eine optimale Montageposition für viele Arten von Sensoren und eignen sich folglich besonders gut zur Datenerfassung im öffentlichen Raum. Die technologischen Voraussetzungen für solche multifunktionalen Leuchten sind heute bereits gegeben.

Zukunftsorientierte,herstellerunabhängige Leuchten-Architektur

Die neuste Generation von LED-Leuchten basiert auf der sogenannten System Ready-Architektur. Die Leuchten sind oben und unten mit einer standardisierten Steckverbindung nach Zhaga Book 18 versehen, kombiniert mit den neusten LED-Treibern. Dieses herstellerunabhängige Leuchtenkonzept ermöglicht, oben einen Lichtcontroller und unten zusätzlich ein Sensormodul anzuschliessen. Die Montage erfolgt ohne Öffnen der Leuchte – einfaches Plug-and-Play. Das System Ready-Konzept erlaubt somit eine Entkopplung der Lebenszyklen von Leuchte und externen Komponenten.

DigiStreet-Leuchte mit System Ready Architektur

Das auf DALI basierende Kommunikationsprotokoll gewährleistet hierbei, dass System Ready-Module unterschiedlicher Hersteller mit den Leuchten kompatibel sind. Im September 2018 wurde der bestehende DALI-Standard von der DiiA (Digital Illumination Interface Alliance) um neue Spezifikationen ergänzt, die einen standardisierten Datenaustausch zwischen LED-Treiber und Lichtcontroller definieren. Dank dieser Erweiterung können nun Leuchten-Informationen, Energiedaten und Status-Informationen der Leuchte über die DALI-Schnittstelle ausgelesen werden.

Skalierbare Möglichkeiten für unterschiedliche Anforderungen

System Ready-Leuchten bilden somit die Basis für zukünftige Smart City-Applikationen. Parkplatzüberwachung, Messung von Umweltdaten wie Lärmimmissionen, Feinstaub- oder Stickoxidbelastung sind mögliche Aufgaben, die zukünftig von Strassenleuchten übernommen werden können.

Dabei hat jede Stadt oder Gemeinde individuelle Bedürfnisse und stellt unterschiedliche Anforderungen an ihre Infrastruktur. Deshalb müssen die eingesetzten Lösungen skalierbar und ausbaufähig sein. System Ready-Leuchten bieten diese Flexibilität und können bereits heute bei der Sanierung auf LED flächendeckend eingesetzt werden, um zu gegebenem Zeitpunkt mit dem passenden Lichtmanagementcontroller und der passenden Sensorik ausgerüstet zu werden. Dabei erhöht die Kompatibilität mit Produkten verschiedener Hersteller die Flexibilität in der Auswahl der passenden Komponenten. Ergänzend dazu, insbesondere an zentralen Standorten einer Stadt, können multifunktionale Lichtmasten einen Mehrwert bieten.

Von der Leuchte zum multifunktionalen Lichtmast

Gerade für Komponenten mit höheren technischen Anforderungen (wie beispielsweise IP-Kameras, Wifi-Access Points oder E-Ladestationen) ist eine Montage an der Leuchte nicht zweckmässig. Hier bietet ein multifunktionaler Lichtmast, wie bereits heute in der Stadt Wädenswil im Einsatz, die Möglichkeit mehrere Anwendungen in einem Lichtpunkt zu vereinen. Ein Lichtpunkt der Licht spendet, als E-Ladestation dient, die Bevölkerung mit WLAN versorgt und zur Erhebung von Umweltdaten sowie zur Verkehrsmessung genutzt wird.

Der Verkehrssensor ermöglicht die Klassifizierung von Fahrzeugen, die Identifikation der Fahrtrichtung sowie Messung der Geschwindigkeit. Dank Wärmebildtechnik unterscheidet der Sensor auch in der Nacht und unter den widrigsten Wetterbedingungen zuverlässig zwischen motorisiertem Verkehr und Fahrrädern. Die Erfassung von Messwerten für Feinstaub, Co2 und Ozon erfolgt über integrierte Umweltsensoren.

Ein grosser Vorteil des multifunktionalen Lichtmastes ist die Greifbarkeit für die Bevölkerung – und damit die Sensibilisierung für das Thema Smart City. Als markanter Ankerpunkt an einem zentralen Standort einer Stadt oder einer Gemeinde, hat ein solcher Lichtmast Leuchtturmcharakter und ist für die Anwohner erlebbar. Wie sich in Wädenswil gezeigt hat, kann ein Lichtmast zum Initiator für weitere smarte Projekte werden.

Visualisierung und Konsolidierung von Daten

Der Einsatz von Sensoren alleine macht eine Stadt noch nicht zur „Smart City“. Die Messwerte dienen vielmehr als Grundlage und entfalten ihr Potenzial erst durch die Konsolidierung und Auswertung auf einer zentralen Plattform. Auch bestehende Daten aus Drittsystemen fliessen in diesen neuen, interdisziplinären Ansatz mit ein. Dies können von bestehenden Sensoren aus den Bereichen Verkehrsmessung, Ampelsteuerung oder auch Erfassung von Umweltdaten stammen. Aus der gemeinsamen Analyse können neue Erkenntnisse gewonnen und Synergien genutzt werden.

Smart City Cockpit

Die Visualisierung der ausgewerteten Daten kann beispielsweise in einem Smart City Cockpit geschehen. Diese Plattform zeigt auf einen Blick die wichtigsten Informationen über den Zustand einer Stadt. Am Beispiel Wädenswil (Abb. 4) wird ersichtlich, wie die Daten von unterschiedlichen Infrastrukturelementen zusammenfliessen. Neben den Daten des multifunktionalen Lichtmastes werden auch Informationen aus anderen Systemen im Bereich Lichtmanagement sowie der Abfallbewirtschaftung dargestellt.

Die konsolidierten Informationen können nicht nur von der Stadt- bzw. der Gemeindeverwaltung und dem Betreiber der Infrastruktur genutzt, sondern auch der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden. Über verschiedene Benutzerrollen kann der Detailgrad der visualisierten Informationen verwaltet werden. So hat jeder Anwender Zugang zu den Informationen, die für ihn von Interesse sind.

Effiziente Verkehrsregelung und bedarfsgerechte Lichtsteuerung

Die Datenaufbereitung und -konsolidierung auf einer zentralen Plattform ermöglicht die Nutzung von Synergien. Im Rahmen dieser neuen Möglichkeiten könnte beispielsweise ein multifunktionaler Lichtmast an einer Lichtsignalkreuzung installiert werden, um den Verkehrsfluss sowie verschiedene Umweltwerte zu erfassen. Die Visualisierung der Messwerte im Smart City Cockpit zeigt den Betreibern, dass sich an dieser Kreuzung ein überdurchschnittlich hoher Feinstaubwert bildet. In der Auswertung der Verkehrsdaten wird deutlich, dass diese Problematik durch lang-stehende LKW’s verursacht wird.

In einem solchen Fall wäre es möglich, über eine zentrale Plattform das Lichtsignal entsprechend dem Verkehrsaufkommen zu steuern. Sobald mehr als drei LKW’s an der Ampel stehen, schaltet sie auf Grün. Mit dieser Kombination von Umweltsensorik, Verkehrsmessung und Ampelsteuerung könnte die Stadt die Umweltbelastung effizient erkennen und umgehend reduzieren.

Grosses Potenzial liegt auch in der bedarfsgerechten und effizienten Steuerung der Strassenbeleuchtung durch den Einsatz von Sensorik. Auch hier wird über einen Sensor das Verkehrsaufkommen gemessen und die Daten auf einer zentralen Plattform abgebildet. Dort wird das Verkehrsvolumen gemäss der Norm SNR 13201-12 ausgewertet und das Lichtniveau entsprechend der berechneten Beleuchtungsklasse angepasst. Über die Software-Schnittstelle zwischen Smart City Plattform und Lichtmanagement-System wird nun ein Steuerungsbefehl übermittelt und damit die Strassenleuchten entsprechend dem normgerechten Lichtniveau gedimmt. Somit bildet der Sensor für die Verkehrsmessung die Datengrundlage für unterschiedliche Einsatzgebiete.

Diese Form von verkehrsabhängiger Lichtregelung wurde in verschiedenen Pilotprojekten realisiert und eignet sich insbesondere für stark befahrene Strassen. Jedoch gibt es auch alternative Lichtsteuerungskonzepte, die je nach Bedürfnis und Anforderung der Gemeinde ebenso ihre Berechtigung haben. Der Einsatz unterschiedlicher Konzepte ist zweckmässig, um dem Anspruch „bedarfsgerechte Beleuchtung“ Folge zu leisten.

Fazit

Bereits heute gibt es konkrete Ansätze, um Infrastrukturen zu vernetzen. Die neusten Technologien bieten die notwendige Flexibilität und Skalierbarkeit, um den ersten Schritt Richtung Smart City zu gehen. Dabei bildet das bestehende Netzwerk der öffentlichen Strassenbeleuchtung die ideale Trägerinfrastruktur für Sensoren und Aktoren. Durch den Einsatz einer zentralen Smart City Plattform können die Daten konsolidiert betrachtet und für systemübergreifende Anwendungen genutzt werden. Auf dieser Basis kann die öffentliche Beleuchtung sukzessive zur Smart City-Infrastruktur ausgebaut werden.

Publiziert in: ET Licht 04-2018

Autoren

Frank Koster ist Produktmanager bei ELEKTRON AG und zuständig für Lichtmanagement-Systeme für die öffentliche Beleuchtung.

Marco Hüppin ist Vertriebs- und Projektleiter bei ELEKTRON AG im Bereich Smart City und befasst sich insbesondere mit den Themen Public Devices, Management Software und Wireless Netzwerke.

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